Das orientalische Hofhaus, Zukunft des Wohnens?
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Vortrag 24-27.02.2002
im Rahmen des Seminars und Workshops "Austrian-Iranian Dialogue"
X-CHANGE, Teheran, Iran
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Über die Koexistenz und Einfluß von Hauseinheit und Stadt - Typus und Struktur
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Heute lebt zwei Drittel der Weltbevölkerung bereits in den Städten. Dies führt zu einem wachsenden Landverbrauch, der immer mehr die Entwicklung neuer Wohnformen bestimmt. Gemessen an den geringen Landresourcen, die wir in Mitteleuropa noch haben, ist die Dichte (mit all ihren Konsequenzen) sicher der wesentlichste Faktor der erforderlichen neuen Entwicklungen im Wohnungsbau.
Kompakte Siedlungsformen stellen neue Anforderungen an Planer hinsichtlich neuer Wohnungstypologien mit offenen Strukturen. Unter dem ökologischen und ökonomischen Druck sind verstärkt Mischnutzungen (Wohnen, Arbeiten, Infrastruktur) gefordert. Wesentlich ist dabei die Wechselwirkung der kleinsten Einheit (der Wohnung) mit dem städtebaulichen Ganzen, da man den Wohnungsbau nicht isoliert von der Umgebung betreiben kann.
Einige Vorzüge kompakter (dichter) Siedlungsformen sind geringer Landverbrauch, bessere Energiebilanzen, reduzierte Aufwendungen für erforderliche Infrastruktur, eine bessere urbane Qualität im Vergleich zu den gegenwärtigen Satellitenstädten der Peripherie, vielleicht ein Schließen der Kluft zwischen Historismus und Moderne sowie eine höhere Wohnungsqualität durch abgegrenzte Freiräume trotz Dichte.
Die bisher entwickelten Typologien und Bebauungsstrukturen reichen nicht mehr aus, um diese Aufgaben zu lösen. Neue Stadtmodelle und exemplarische Lösungen sind gefragt.
Die folgenden zwei ausgeführten konventionellen Bebauungsmuster formen eine Basis für einen Dichtevergleich:
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Wohnbebauung Leberberg, 1110 Wien
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Hierbei handelt es sich um einen kleinen Bauteil (mit 120 Wohnungen) eines der größten Stadterweiterungsprojekte am südlichen Stadtrand Wiens (mit 4000 Wohneineheiten). Im Kern war eine konventionelle Blockrandbebauung um eine zentrale Freifläche vorgegeben, jedoch konnte der geschlossene Block zumindest in eine Kammbebauung mit Orientierung zum öffentlichen Grün geändert werden.
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Wohnhausanlage Mühlgrundweg, 1220 Wien
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Dieses Beispiel stellt wieder einen Teilbereich einer peripheren Siedlungsstruktur als klassische Reihenhauszeile dar. Hierbei wurde versucht, innerhalb der Strukturmöglichkeiten maximale Dichte zu erreichen. Ein städtebaulicher Mangel dieser Bebauungen liegt im Fehlen einer umfassenden Urbanität. Das heißt, der notwendige Gebäudezwischenraum bleibt meist erzwungene Restfläche.
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Städtebaulicher Ideenwettbewerb Süssenbrunn, 1220 Wien
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Das Thema Urbanität an der Peripheri konnte bei einem internationalen Wettbewerb in Wien konkretisiert werden. Für ein 40 Hektar großes Areal zwischen einem gewachsenen Dorfkern und Einfamilienhaus-Zersiedelung war ein exemplarischer Bebauungsvorschlag für ca. 2000 Wohnungen zu entwickeln. In Rückbesinnung auf die gezeigten historischen Vorbilder wurden urbane Stadtpartikel (-körper) in den Grünraum transportiert. Die Collage eines Stadtausschnittes von Kairo in ein grünes Feld gesetzt, soll die Quartiersidee manifestieren.
Klar begrenzte autarke Quartiere mit je ca. 4 Hektar sollen in Etappen der weiteren Zersiedelung entgegenwirken. Der Dorfkern und Einfamilienhäuser werden durch die neuen Siedlungskörper nicht verbunden. Durch hohe Dichte in 3-4 Geschossen kann die Landbeanspruchung möglichst gering bleiben. Der vorhandene Landschaftsraum bleibt zusammenhängend erhalten. Die autarken Stadtteile sind vom Grünraum umspült.
Für die Umsetzung des Dichteanspruches wurden Hofhaustypen entwickelt. In 2 Varianten werden gestapelte Gartenhof- bzw. Dachatrientypen zunächst noch linear gruppiert. Wobei die vertikale Erschließung so angelegt ist, dass die 3 gestapelten Haustypen sowohl getrennt als auch als Einheit nutzbar sind.
Der Beitrag erreichte die Endrunde des Wettbewerbs. Zuletzt wurde aber auf Grund seines endgültigen Bebauungskonzeptes (es gibt keine späteren Erweiterungs- möglichkeiten im Freiraum zwischen den Quartieren) ein konventionelles Bandstadtkonzept von der Jury vorgezogen.
Der prototypische Ansatz für Stadtrandlösungen führte zu einer weiteren Quartiersstudie im Auftrag der Stadt.
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Städtebauliche Studie, Marchfelder Quartiere, 1220 Wien
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Das Marchfelder Quartier wurde für 500 Wohnungen auf 200 m im Quadrat bis zur Bebauungsreife ausgearbeitet. Der Siedlungskörper wird in mehrere Teilquartiere gegliedert. Zusätzlich sind soziale Einrichtungen wie Schule, Kindergarten sowie sonstige Infrastrukturnutzungen eingeplant.
Für die Einzelquartiere wurden zwei Hofhäuser in 3 Ebenen in nunmehr flächiger Gruppierung entwickelt.
Das L-Haus ist zu 4 Einheiten zusammengesetzt. Die Erschließung erfolgt fußläufig über die mittlere Ebene. Die beiden Hauptgeschoße funktionieren als 2,5-Zimmer- Wohnungen mit darüber liegender Garconniere.
Der Hoftyp ist ein auf den Kopf gestelltes Reihenhaus mit Dachatrium und Dachgarten. Um die 3 Wohnebenen vorerst auch getrennt nutzen zu können, ist ein Stiegenhaus als Schaltglied vorgesehen. Somit können über die mittlere Eingangsebene 3 Einheiten getrennt erschlossen werden.
Speziell ausgebildete Eingangsschaltglieder und eine spezielle Treppenführung gewähren verschiedene Trennungsmöglichkeiten der Geschoße im Sinne verschiedener Bedürfnislagen des Lebensverlaufs (Generationenwohnen, Funktionenmix, usw.) Unter Einsetzung dieser Kombinationen kann eine Wohnungseinheit bis zu 150 m2 groß sein.
Das Einzelquartier funktioniert in seiner Kompaktheit wie ein Stiegenhaus eines konventionellen Geschoßwohnbaus. Auf dem Niveau der Erschließungsebenen gibt es in jedem Quartier einen Zentralplatz mit nach unten eingeschnittenem Gemeinschaftsraum.
Die Quartiersidee wurde ursprünglich für Wohnzwecke am Stadtrand entwickelt. Um sowohl der Dichte als auch den infrastrukturellen Anforderungen der Stadt gerecht zu werden, wurde prototypisch ein Zentrumsquartier entwickelt.
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Städtebauliche Studie Zentrumsquartier
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Im Vergleich zu einer typischen 5geschossigen Blockrandbebauung mit Innenhof, bei dem die gestapelten Wohneinheiten über Stiegenhäuser und Laubengänge erschlossen sind, ist das Zentrumsquartier flächig und vertikal strukturiert.
Der 3geschossige Wohnungsblock (wieder aus Hofhäusern bestehend) bildet den oberen Abschluss. Die hochwertige Dachlandschaft dient hierbei den privaten Freiräumen. Ein Lichthof für Vertikalerschließung und Gemeinschaftsräume verbindet den oberen Wohnteil mit den darunter liegenden Infrastrukturgeschossen.
Die hochfrequentierten Nutzungen wie Supermarkt und Restaurant etc. sind im Sockelgeschoß (auf Straßenniveau) angesiedelt. Darüber befindet sich die zweite niederfrequentierte Infrastrukturebene mit Sonderwohnformen für Singles und ältere Menschen sowie Ateliers und Büros. Die erforderlichen PKW können mit Hoch- oder Tiefgarage abgedeckt werden.
Im Unterschied zur gezeigten Blockrandbebauung kann das Quartier unterschiedliche Nutzungen großflächig aufnehmen.
Besonders in innerstädtischen Lagen mit hohem Verkehrsaufkommen ist das Kernelement der Wohneinheiten auf dem Dach relativ emmisionsfrei situiert.
In der folgenden vergleichenden Analyse sind die Dichten der 4 bisher gezeigten Bebauungsmuster dargestellt.
Die Vergleichswerte der einzelnen Bebauungsmuster beziehen sich auf eine Grundstücksfläche. Mit ca. 7000 m2 ist die Grundfläche eines Quartiers angenommen.
Der Dichtevergleich zeigt, dass eine sehr dichte Reihenhausstruktur eine maximale Kennzahl von 0,9 erreichen kann. Der Dichtekennwert ist eine Verhältniszahl der Grundstücksfläche zu den Bruttogeschoßflächen. Der analysierte Geschoß- wohnungsbau (Kammbebauung) erreicht bei 5 Geschoßen eine Kennzahl von 2,5.
Das 2geschossige Quartier, für den Stadtrand konzipiert, erreicht im Vergleich zum Reihenhaus eine Kennzahl von 1,7 bei gleicher Geschoßanzahl.
Dies bedeutet im langjährigen Diskurs um die Ausnutzung von Grundstücken: Gartenstadt versus Superblock eine klare Verbesserung der ersteren. In wirtschaftlicher Hinsicht können die aufgezeigten Werte die bisherige Nachrangigkeit horizontaler Dichteformen gegenüber vertikaler Strukturen wesentlich aufheben. Vergleicht man nun das 5geschossige Zentrumsquartier mit dem gleich hohen Geschoßwohnungsbau, so kommt man auf einen Kennwert von 3,3, allerdings bei fast 100%iger Bebauung gegenüber einer max. 50%igen Bebauung des Geschoßbaus.
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Firmensitz der ÖBV, 1010 Wien
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Der halbe Hof mit nur 9x9 m Abmessung bei 30 m Höhe erhielt ein Glasdach und eine transluzente Glaswand als Lichtspender. Der Lichtkörper im Inneren als zentrales Motiv ermöglicht eine freie Kombination der Elemente.
Bei dieser Aufgabe konnten für das nächste Hofhausprojekt wichtige Erfahrungen im Umgang mit Tageslicht unter schwierigen räumlichen Bedingungen sammelt werden.
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Wohnarche Atzgersdorf, 1230 Wien
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Eine Doppelzeile mit 42 Hofhäusern ist das erste gebaute Anwendungsbeispiel.
Die tiefe Baulücke mit einer schmalen Front zur Ziedlergasse (Abmessungen 36x131m) ist von Mischbauten für Wohnen und Gewerbe umgeben. Sie öffnet sich erst in der Tiefe zur zusammenhängenden Grünfläche.
Ein mehrgeschossiges introvertiertes Atriumhaustyp in L-Form um den Innenhof wurde entwickelt.
Der Siedlungskörper (Abmessungen 114x26m) ist auf Distanz zu den Nachbarhäusern in die Baulücke geschoben. Die stirnseitige Straßenfassade zeigt Geschlossenheit und ist fast gesichtslos. Zwei U-förmige Haustypen sind zueinander gedreht. Sie bilden so ein mit einer Glaswand geteiltes Doppelatrium. Die beiden Einheiten sind in zwei Zeilen, Rücken an Rücken gereiht, so dass eine 26 m tiefe Großform entsteht.
Die beiden Hauptwohnebenen sind um ein Nebengeschoß angehoben. So befindet sich der eigentliche Wohnhof über einem Erdkoffer in Hochlage.
Über Ein- und Ausfahrten können die Autos im Kreisverkehr die gedeckten Stellplätze direkt vor dem Gebäude erreichen. Von dort gelangt man über eine Diele zu Stiege und Kellerraum in der mittleren Zone.
In der Dachebene werden die beiden Hauptgeschosse um ein Atelier mit vorgelagertem Dachatrium, Sitzplatz mit Pergola und große Gartenterasse erweitert.
Das Atriumhaus entwickelt sich auf 130 m2 in 4 Ebenen. Am Atrium liegen in den Hauptgeschossen je 2 nutzungsneutrale Räume mit je 20 m2. Eine verglaste Kernzone mit Stiege und Nassräumen verbindet diese zu einer kompakten Raumtriologie. Die Grundrisschemas zeigen eine städtische Wohnform mit privatem Grün; Nutzungsvariabel für die unterschiedlichen Entwicklungsphasen und Wohnbedürfnisse einer Familie.
Der Raumzuschnitt und die Größe ermöglichen einerseits Doppelfunktionen wie Essen und Wohnen oder Schlafen und Arbeiten. Eine 3- bis 4köpfige Familie kann geschoßweise getrennt Wohnen, Schlafen und Arbeiten, z. B. zwei gestapelte 2-Zimmer-Wohnungen mit Küche Bad und WC für Familien mit 1 bis 2 Jugendlichen oder anderen Familienmitgliedern wie Großeltern etc.
Neben den reduzierten Außenwandanteilen auf Grund der vernetzten Anordnung der Häuser senkt die Verglasung über dem Innenhof den Energiebedarf. Dabei kann durch Schließen der flexiblen Glasmarkisen auch ein zusätzlich nutzbarer Raum geschaffen werden.
Der vorliegende Siedlungskörper erreicht durch die direkte Erschließung der 42 Spangenhäuser (vom Wohnweg aus) und den dadurch bedingten Entfall von "gebauten Erschließungsflächen" ein sehr günstiges Verhältnis von Bruttogeschoßfläche zu Nettonutzfläche (6152:7058=87%), weiters optimiert die Kompaktheit der Anlage die technische Ver- und Entsorgung.
Mit den städtischen Atriumhäusern konnte zumindest ein Teil der Quartiersidee realisiert werden. Wesentliche städtebauliche Aspekte, wie ein ausgewogenes Verhältnis vom Baukörper zu Freiraum, konnten hier noch nicht umgesetzt werden.
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Internationaler Wettbewerb Wohnbebauung im Norden Japans, Aomori
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Als Ausblick auf Anwendungsmöglichkeiten in anderen Städten mit anderen klimatischen Bedingungen ein Wettbewerbsbeitrag für Aomori, auf der nördlichsten Insel Japans.
Für ein Grundstück im Zentrum der Stadt war ein Gebäudekomplex für Wohnen in Kombination mit städtischen Nutzungen zu entwickeln. Die klimatischen Bedingungen mit einer Jahresdurchschnittstemperatur von 10 Grad und jährlich 6 m Schneefall erforderten einen speziellen Lösungsansatz.
Vorgeschlagen wurde in japanischer Tradition ein großvolumiger Gebäudekomplex in vertikal 3-teiliger Schichtung. Er soll heterogene Bebauung im Stadtraum binden und verdichten. Das vielschichtige Innenleben des Gebäudes ist eine konzentriert vertikale Tranche aus dem städtischen Nebeneinander. Das obere Drittel des Gebäudes ist eine Antwort auf die nördlichen Klimaverhältnisse, eine dichte Packung von Hofhaustypen mit 2- bis 3geschossigen glasüberdeckten Innenhöfen. Die Wohnplatte ist gleichzeitig Dach für rekreative Aktivitäten in der 3geschossigen Mittelzone darunter.
Die Erschließung der Wohräume erfolgt ebenso witterungsgeschützt an der Unterseite des Wohnungskörpers. Somit stellt die Oberzone Wohnqualität im Grünen mit Licht und Luft im Stadtzentrum dar.
Zur Gebäudestruktur: der 9geschossige Stapel wird durch ein pulsierendes System vertikaler Verbindungen erschlossen und zusammengehalten. 12 Pfeiler mit Stiegen, Aufzügen und Haustechnikschächten schaffen Räume mit großen Spannweiten. Zusätzlich durchschneiden 5 Lichthöfe vertikal das Gebäudeinnere und garantieren tageslichtdurchflutete räumliche Zusammenhänge.
Über dem hochfrequentierten Nutzungsangebot auf Straßenniveau befindet sich eine weitläufige 3geschossige Halle mit Pavillons in künstlicher Gartenlandschaft für Sozial- und Freizeiteinrichtungen. Die gedeckte Halle kann in Wintermonaten durch eine Glasaußenhaut aus Vertikalschiebeelementen zu einem durchgrünten Wintergarten geschlossen werden. Insbesondere in den heißen und regnerischen Sommermonaten Japans sorgt die gedeckte aber offene Freilufthalle für eine gute Luftzirkulation für die Rekreationszone und die darüber liegenden Atriumwohnungen.
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Projektbeschreibungen:
Wohnhausanlage Leberberberg 1110 Wien
Wohnhausanlage Mühlgrundweg 1220 Wien
Städtebaulicher Ideenwettbewerb Süssenbrunn 1220 Wien
Marchfelder Quartiere Bebauungsstudie 1220 Wien
ÖBV Versicherungsgesellschaft Generaldirektion 1010 Wien
Wohnarche Atzgersdorf 1230 Wien
Internationaler Wettbewerb Wohnbebauung im Norden Japans Aomori |
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